IFAMD Marktbemerkung 2014.10
Wie sich Arbeitskämpfe und Streiks vermeiden lassen, unter denen Dritte zu leiden haben
Die jüngsten Streiks der Lokführer und Piloten, initiiert von GDL und der Vereinigung Cockpit (VC), machen deutlich, dass es die Gesellschaft versäumt hat, Instrumente zu entwickeln, die den entsprechenden Arbeitsbeziehungen und deren Bedeutung für „Dritte“ Rechnung tragen. Im Gegensatz zu den klassischen Arbeitsbeziehungen, in denen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer gegenüberstehen und Streiks den Arbeitgeber – aber auch den Arbeitnehmer – schädigen, sind bei Streiks der Lokführer und Piloten im Wesentlichen die Kunden die Geschädigten. Diese aber sind nicht Partei der Auseinandersetzung und können nicht darüber entscheiden, ein Verhandlungsangebot anzunehmen oder abzulehnen, und schon gar nicht können sie ein eigenes Verhandlungsangebot einbringen. Ich wäre gerne bereit, einen Euro mehr für ein Ticket München-Hamburg zu zahlen, wenn ich dadurch dazu beitragen könnte, die prekäre finanzielle Situation insbesondere jüngerer Lokführer zu verbessern, und der Euro nicht in Stuttgart 21 oder ähnlichen Projekten versenkt würde.
Bei den Arbeitsbeziehungen, die wir hier betrachten, geht es letztlich um gerechte Vertragsverhältnisse. Für gerechte Ergebnisse in der Gesellschaft sind Gerichte zuständig, wenn sich die Parteien nicht einigen können. Sollte nicht ein (Schieds-) Gericht darüber entscheiden, ob die Forderungen der GDL gerechtfertigt sind und zu welchem Grade?
Gäbe es solche Gerichte, dann würden sicher die Verhandlungen im Vorfelde bereits fruchtbarer ablaufen. Natürlich muss man die Zusammensetzung und die Regeln dieser Gerichte sorgfältig gestalten, da sonst der Schiedsspruch nicht anerkannt wird. (Sollen die Parteien durch Mitglieder des Gerichts vertreten werden oder nicht?) Außerdem bedarf es eines geeigneten gesetzlichen Rahmens.
Es gibt spieltheoretische Modelle, die Ausgangspunkt für diese Überlegungen sein könnten. Zum Beispiel schlug John Harsanyi, Nobelpreisträger von 1984, ein Verhandlungsspiel vor, das zu Ergebnissen führt, die der sogenannten Nash-Lösung entsprechen, und damit zu Ergebnissen, die als fair und vernünftig anerkannt werden können.[1]Aber das sind Details: Grundsätzlich soll auch für Arbeitsverhältnisse gelten, dass Konflikte durch Gerichte und nicht durch Zweikämpfe gelöst werden, insbesondere dann, wenn die Verlierer der Zweikämpfe „unbeteiligte“ Dritte sind.
Prof. Dr. Manfred J. Holler, Universität Hamburg, Center of Conflict Resolution (CCR), Institute of SocioEconomics (ISE) und IFAMD
[1]
Siehe: Manfred J. Holler und Gerhard Illing (2009), Einführung in die Spieltheorie, 7. Auflage, Berlin und Heidelberg: Springer-Verlag, S. 231ff und S. 241ff; Manfred J. Holler und Barbara Klose-Ullmann (2007), Spieltheorie für Manager, 2. Auflage, München: Verlag Vahlen, S.189ff.