IFAMD Marktbemerkung 2017.08
Ob die Bestpreisklausel der Hotelportale den Wettbewerb verzerrt?
Die „Bestpreisklausel“ einschlägiger Internet-Hotelportale ist weiterhin auch vor Gericht umstritten. Die Einen wollen den Verbraucher schützen, die Anderen den kleinen Hotelier. Doch wie wirkt sie eigentlich wirklich, wen bevorteilt sie, und wie können sich Hotelier und Verbraucher optimal verhalten, wenn sie am Ende doch zulässig ist? Zum Zeitpunkt dieser Marktbemerkung (Sommer 2017) steht die Entscheidung durch ein Oberlandesgericht noch aus. Unabhängig von der Entscheidung wollen wir hier aus spieltheoretischer Sicht die Situation kommentieren.
Hotelpreise – dieses Thema interessiert sowohl geschäftlich als auch privat. Die Transparenz im Internet hat schon lange auch in diesem Markt die Preisbildungsmechanismen tief beeinflusst. Das besonders Interessante an diesem Markt ist neben dem Aufeinandertreffen von sehr vielen Nachfragern auf sehr viele Anbieter, dass sich die einzelne Geschäftsbeziehung – jedes „Buchen“ eines Hotels – innerhalb eines relativ kleinen, weil regional eingegrenzten konkreten Teilmarktes abspielt. Das macht Hotelportale so immens wertvoll für beide Seiten: Für den Verbraucher bieten sie einen ohne Internet nie dagewesenen Komfort, vom Wohnzimmer aus in jeder Ecke der Welt Hotelangebote vergleichen zu können, und für den Hotelier bieten sie eine ungeahnte Reichweite, weltweit von Verbrauchern gefunden zu werden. Doch die Preisbildung nach Angebot und Nachfrage gehorcht den Umständen des konkreten individuellen Teilmarktes – wenn in Hannover Messe ist, sind auch die Hotelportale leergefegt und die Preise „surreal“.
Selbstverständlich bietet das Internet auch ohne eigentliches „Portal“ diese Vernetzung, doch spätestens seit der Erfolgsgeschichte von Facebook wissen wir, wie wichtig auch innerhalb des Internets, in dem bereits jeder, zumindest theoretisch, vernetzt ist, die Informationsbündelung auf geeigneten Portalen ist. Auf den Machtkampf zwischen reinen Suchmaschinen, Bestpreis- Crawlern und richtigen (Hotel-) Portalen möchten wir hier ganz am Ende kurz eingehen – das ist eine eigene Diskussion.
Zurück zu den Hotels. Wer kennt das nicht? Man bucht in einem Hotelportal einfach und bequem einen „Hot Deal“, muss sich um sonst nicht viel kümmern – Reisebüro oder ein Assistent, der für den Geschäftsreisenden bucht, das ist alles Schnee von gestern. Dann fährt man vor Ort und erfährt beiläufig, dass das gleiche Zimmer direkt beim Hotel gebucht signifikant billiger gewesen wäre. Jetzt beginnt die Diskussion mit der Dame an der Rezeption. Ist es rechtlich, moralisch, ökonomisch und aus welchen Aspekten auch immer vertretbar, den Deal mit dem Hotelportal zu kündigen und das Zimmer vor Ort neu zu buchen? Klar, es kommt auf die Konditionen im Einzelfall an – und auf das Verhandlungsgeschick vor Ort. Fällige Gebühren an das Hotelportal spielen hier eine Rolle – und Loyalität, und zwar gegenüber dem Portal, das beiden Seiten bereits einen Dienst erwiesen hat.
Die Frage ist: Wie fühlt sich der Kunde, wenn er nach einem „Hot Deal“ auf dem Hotelportal vor Ort einem viel besseren Preis begegnet? Als Spieltheoretiker interessiert uns natürlich weniger das Gefühl des Kunden als schlicht die Frage, ob er das nächste Mal wieder auf dem Hotelportal buchen wird oder ob er – wie es Verbraucherschützer bereits empfehlen – das Portal nur noch zur Suche verwenden und in Zukunft telefonisch oder über die hoteleigene Internetseite buchen wird. Genau dagegen versuchen Hotelportale sich mit einer Bestpreisklausel zu schützen – legitimer Weise oder unter Ausnutzung ihrer „Marktmacht“?
Lassen Sie uns zuerst die Bestpreisklauseln im Allgemeinen diskutieren. Wie war das nochmal? Die Spieltheorie kennt zwei Varianten: Die „Meet-the-competition-clause“ (frei übersetzt: Wir treffen den Wettbewerb – gemeint ist mit dem Preis) und die „Most-favoured-customer-clause“ (frei übersetzt: Du bist mein bevorzugter Kunde – gemeint ist auch hier mit dem Preis). Beide Klauseln wirken auf den zweiten Blick genau andersherum, als sie auf den ersten Blick erwarten lassen.
Die „Meet-the-competition-clause“ kennen Verbraucher aus der Werbung. Ein Baumarkt, ein Optiker (in seiner Eigenschaft als Brillendistributor) oder eine Tankstellenkette rufen laut in den Markt und untermauern mit einer Bestpreisklausel: „Wenn uns irgendein Wettbewerber unterbietet, dann steigen wir automatisch auf dessen Preis ein.“ Auf den ersten Blick freut sich der Verbraucher, denn dieser Anbieter ist sicher immer der Günstigste – das klingt nach ganz hartem Wettbewerb. Spieltheoretiker wissen aber schon lange: Hier wird Wettbewerb verhindert, denn nach Antizipation des Verhaltens des betreffenden Anbieters – und mit einer Bestpreisklausel gehört nicht viel dazu, sein Verhalten zu antizipieren; er hat es ja schon angekündigt und sich rechtlich gebunden – wird keiner seiner Marktbegleiter mit einem niedrigen Preis konkurrieren. Es sei denn, er hat zu wenig kritische Größe im betreffenden Markt, dann ist es ein Leichtes für den Wettbewerb, ihn „aus dem Markt zu preisen“. So ist es einem Baumarkt ergangen. Mit genügend Gewicht im Markt aber kann der Anbieter mit seiner Bestpreisklausel jeden Wettbewerb im Keim ersticken – was als Wettbewerbsverzerrung angesehen werden darf. Hier ist also die Kartellbehörde aufgefordert, genauer hinzusehen.
Auch die zweite Variante der Bestpreisklausel, die „Most-favoured-customer-clause“, wirkt anders, als man zunächst erwartete. Auch sie ist geeignet, den Wettbewerb zu verzerren. Hier verspricht ein Anbieter seinem Kunden, keinem anderen Kunden einen besseren Preis anzubieten. Im Konsumgütergeschäft ist diese Variante schwer vorstellbar. In Industriegütermärkten aber ist sie allenthalben bekannt. So wird sie in der Automobilindustrie häufig von Kundenseite eingefordert, um sich den besten Preis eines Lieferanten zu sichern. Wem sie nutzt und ob sie Wettbewerb verzerrt ist auch hier sehr von der Marktmacht der beteiligten Spieler abhängig und kann durchaus wettbewerbsrechtlich relevant sein. Sie kann auch dem Lieferant nutzen, wenn er damit für höhere Preise bei seinen anderen Kunden argumentieren kann – zumindest sind seine Preis dort durch eine Bestpreisklausel nach unten begrenzt. Voraussetzung für diese Wirkung der Klausel ist allerdings die Preistransparenz, die in rein privatwirtschaftlichen Industriegütermärkten oft nicht gegeben ist.
Womit haben wir es denn nun eigentlich bei den Hotelportalen zu tun? Auf den ersten Blick mit einer „Most-favoured-customer-clause“ in einem preistransparenten Markt mit übermächtigen Hotelportalen gegenüber vielen, zum Teil sehr kleinen Hoteliers. Diese einfache Sicht der Dinge hat wohl die Kartellbehörde dazu bewogen, die Bestpreisklausel zu kassieren. Doch ist das wirklich so? Die Hotelportale sind doch gar nicht die Kunden, sondern Mittler, die zwischen Anbieter und Kunde stehen. Dabei sind die Portale keine Händler, die selbst kaufen und wieder verkaufen und eine eigene Marge verantworten, sondern die Portale sind reine Makler, die eine Gebühr für die Vermittlung des Geschäfts erheben. Damit ist eine Bestpreisklausel gegenüber den Hotels bestenfalls eine „Most-favoured-sales-channel-clause“ (eigene Begriffsbildung) – und wie das in der Spieltheorie immer so ist: Der kleine Unterscheid stellt alles auf den Kopf. Solange der Kunde freien Zugang hat zu allen Vertriebskanälen des Hotels, kann gar keine Rede davon sein, dass das Portal irgendeine Marktmacht aufgrund seiner Größe ausnutzen würde. Vielmehr ist die Bestpreisklausel der einzige Garant für das Portal, dass der dort gefundene Deal auch wirklich zustande kommt und die Gebühr für die Vermittlung, die über den Zimmerpreis vereinnahmt wird, auch wirklich beim Portal ankommt.
Für den Kunden hat die Bestpreisklausel keinen Nachteil: Derjenige Kunde, der das Portal nutzt, freut sich ohnehin über den besten Preis. Derjenige Kunde, der das Portal nicht nutzt, hat freien Zugang dazu und kann selbst entscheiden, es auch zu nutzen. Bleibt die Frage, ob auch diese Klausel (wie die beiden klassischen Bestpreisklauseln) einen systematischen Effekt hat, Preise hoch halten zu können. Die Preistransparenz könnte zwischen den Hoteliers in der Tat dazu führen, sich über den Portalpreis einfacher auf einen gemeinsamen höheren Preis zu koordinieren. Dies funktioniert umso besser, wenn sich jeder Hotelier sicher sein kann, dass auch alle anderen Hoteliers über die Bestpreisklausel jeweils an ihren auf dem Portal veröffentlichten Preis auch außerhalb des Portals gebunden sind. Interessanter Weise wird die Hotelportal-Bestpreisklausel aber weder in der öffentlichen Diskussion noch vom Kartellamt in dieser Richtung diskutiert und in der Tat sind derart subtile spieltheoretische Effekte in der Praxis nur sehr selten zu beobachten – es müssen schon alle Hoteliers einer Region an dieser Kollusion teilnehmen, damit sie wirklich zustande kommt.
Oder schadet die Bestpreisklausel etwa den Hoteliers – indem die Kunden über die Portale zu hohen Wettbewerbsdruck aufbauen und die Preise drücken? Nun, die Preistransparenz als solche ist ja nicht erst durch ein Hotelportal gegeben, d.h. wenn der Wettbewerbsdruck regional so hoch ist, dass man nur über den günstigsten Preis verkaufen kann – warum dann nicht auch über das Portal? Die vermeintliche „Volumenbündelung“, die auf dem Portal stattfindet und vermuten lässt, dass die Portale „Marktmacht“ hätten, ist gar keine echte Bündelung. Zu einer Bündelung gehört die gebündelte Kaufentscheidung – und genau die wird nicht etwa durch das Portal getroffen, sondern auch auf einem Portal trifft jeder einzelne Kunde seine eigene Entscheidung individuell. Damit wird das Portal lediglich zum Treiber von Reichweite und Preistransparenz – jeder Hotelier kann selbst entscheiden, ob er sich daran beteiligt oder nicht.
Auch wenn wir hier ein Plädoyer für die Bestpreisklausel für Hotelportale halten, so ist doch die gerichtliche Entscheidung noch offen und man muss sich auf beide Situationen einstellen: Was tun, wenn sie kommt, und was tun, wenn sie nicht kommt?
Wenn die Bestpreisklausel für Hotelportale wieder zulässig werden sollte, dann müssen (viele) Hoteliers in ihrer Preisstrategie grundsätzlich umdenken. Weiterhin kann und muss es natürlich eine differenzierte Preisstrategie geben, um die Zahlungsbereitschaft des Kunden abzuschöpfen. Dies kann dann jedoch nicht mit dem Portalpreis geschehen, sondern umgekehrt mit dem individuellen Preis, der für differenzierte individuelle Angebote, besondere Zimmer (- ausstattungen), flexiblere Stornierungskonditionen etc. realisiert wird. Ein Hotelportal kann dann strategisch genutzt werden, um Leerstand kurzfristig günstig abzusetzen – oder aber ein Preis- Qualitäts-Signal auf hohem Niveau im Markt zu platzieren, das erst durch die Bestpreisklausel wirklich glaubwürdig wird.
Wenn die Bestpreisklausel hingegen weiterhin nicht zulässig ist, dann müssen Hotelportale umdenken und ihr Geschäftsmodell grundsätzlich ändern: vom Makler zum reinen Informationsportal, das seine Gebühr nicht für den zustande gekommenen Deal erhebt, sondern schon für das reine Einstellen eines Angebots und den Klick darauf etc. Effektiv wird es dann für Hotelportale schwieriger, sich gegen reine Suchmaschinen zu behaupten. Dies wird vermutlich einen Rückschritt bedeuten bezüglich der beiden von Hotelportalen bewirkten Vorteile: Die Reichweite für die Anbieter und die Preistransparenz für alle Nachfrager.
Dr. Gregor Berz
IFAMD GmbH
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