IFAMD Marktbemerkung 2013.11

Ein Auktionsdesign speziell für Immobilienveräußerungen

Hierzulande sind Auktionen um Immobilien eher die Ausnahme. Während im angelsächsischen Bereich Internetauktionen um Immobilien an der Tagesordnung sind, kann man im deutschsprachigen Raum den potenziellen Bieter um ein Immobilienobjekt eher als „scheues Reh“ bezeichnen. Es verschwindet sofort, wenn es auch nur die Andeutung eines auktionsähnlichen Verfahrens wittert. Für genau diese Situation haben wir ein Auktionsdesign entwickelt, das die Idee, sich zwischen Veräußerer und Käufer „fair“ in der Mitte zu treffen, mit den Vorteilen einer Auktion für den Veräußerer vereint.

Der Immobilienmarkt ist von Maklern dominiert, deren Mehrwert darin besteht, Verkäufer und Käufer zusammen zu bringen. Je nach Marktlage wird der Makler vom Verkäufer oder vom Käufer bezahlt. Besonders schlaue Makler bekommen ihre Provision angeblich von beiden Seiten, wobei das die Ausnahme sein dürfte. In jedem Fall handelt es sich bei der Maklerprovision um einen Prozentsatz auf den kompletten Kaufpreis und nicht etwa auf eine von ihm erzielte Kaufpreissteigerung. Damit ist der direkte Anreiz für den Makler, den Preis selbst in die Höhe zu treiben, relativ gering, da er den Prozentsatz auf die Größenordnungdes erzielbaren Preises ohnehin erhält. Sofern der Makler vom Veräußerer beauftragt wurde, hat er allerdings einen indirekten Anreiz: Wichtig ist für den Makler natürlich die Exklusivität, als einziger eine Immobilie veräußern zu dürfen. Um diese Exklusivität zu erhalten, muss er den Verkäufer davon überzeugen, dass er derjenige ist, der den höchsten Veräußerungserlös für das Objekt erzielen kann. Schafft er das nicht, verliert er die Exklusivität für das Objekt.

Das wesentliche Argument für einen Makler ist seine Reichweite, die er im Markt durch seine Bekanntheit und sein Wirken hat: Derjenige Makler, der das Objekt den meisten potenziellen Interessenten schmackhaft macht, wird schon aus statistischen Gründen den höchsten Preis dafür erzielen. Dazu gehören – in Zeiten des Internets mehr denn je – natürlich handwerkliche Fähigkeiten wie eine marketingtechnisch perfekte Präsentation im Exposé, die professionelle Durchführung von Besichtigungsterminen usw. Das Werkzeug einer Auktion spielt dabei hierzulande aber keine weitere Rolle, obwohl doch eine Auktion wirklich den besten Preis für den Veräußerer verspricht.

In Amerika ist das anders: Wenn dort der Makler genügend Interessenten für ein Objekt generiert hat, dann lädt er alle zu einer Internetauktion ein. Der Bieterkreis ist geschlossen, d.h. es dürfen nur geladene Bieter mitmachen, die zuvor wirkliches Interesse bekundet haben und auch auf Solvenz geprüft wurden. Als Auktionsdesign wird meist eine dynamische Englische Auktion gewählt, wobei hier auch eine Holländische Auktion oder sogar eine Klemperer-Auktion möglich wären. Der Veräußerer kann vorab einen Reservationspreis definieren, der dafür sorgt, dass das Objekt nur dann durch die Veranstaltung rechtlich bindend veräußert wird, wenn der Reservationspreis durch das höchste Gebot auch wirklich übertroffen wurde. Eine solche Veranstaltung generiert den maximalen Erlös für den Veräußerer.

In Deutschland tut man sich damit sehr schwer. Makler bekommen regelmäßig entrüstet zu hören: „Sie wollen uns hier doch wohl nicht gegeneinander bieten lassen?“, wenn sie mit der Ankündigung einer Auktion auf Kaufinteressenten zugehen. Was im englischsprachigen Raum als normale Vorgehensweise akzeptiert ist, rührt uns Deutsche tatsächlich zu Entrüstung: Der Vergleich von Angeboten um am Ende den besten Preis zu erzielen. Allerdings hat diese reflexartige Entrüstung durchaus auch einen rationalen Kern.

Wenn man sich die bilaterale Verhandlungssituation zwischen einem Verkäufer und einem Käufer ansieht, so geht es einzig und alleine darum, einen Preis zu finden, der irgendwo zwischen dem Indifferenzpreise des Käufers (das ist seine ultimativ maximale Zahlungsbereitschaft, über der er tatsächlich nicht mehr kaufen würde) und dem Indifferenzpreis des Verkäufers (das ist seine ultimativ niedrigste Preisforderung, unter der er tatsächlich nicht mehr verkaufen würde) liegt. Nur, wenn der Indifferenzpreis des Käufers höher liegt als der Indifferenzpreis des Verkäufers, kann es überhaupt zwischen den beiden zum Geschäft kommen. Die Spanne zwischen den beiden Indifferenzpreisen nennt der Spieltheoretiker den „Kuchen“ der Verhandlung. Der Preis, der als Verhandlungsergebnis erreicht wird, markiert zwischen den beiden Indifferenzpreisen die Aufteilung des Kuchen zwischen Verkäufer und Käufer. Wenn sich die beiden „fair“ in der Mittezwischen den beiden Indifferenzpreisen treffen, dann heißt das mit anderen Worten, sie teilen sich den Kuchen 50:50. Für diese „faire“ Lösung müssten sie allerdings beide die Indifferenzpreise kennen – jeweils den eigenen und den des anderen. Das ist in der Praxis natürlich nicht dar Fall. Konventionelles Verhandlungsgeschick besteht vielmehr sogar darin, den eigenen Indifferenzpreis möglichst lange geheim zu halten.

Für diese Situation ist der Verdeckte Angebotstausch[1]ein schönes Verhandlungsdesign, mit dem man sehr einfach bilateral zu einem fairen Ergebnis kommt: Beide Parteien notieren einen Preis (der Verkäufer eine Preisforderung und der Käufer eine Zahlungsbereitschaft). Die beiden Gebote werden simultan geöffnet. Wenn sich die beiden Gebote „kreuzen“ (d.h. die Zahlungsbereitschaft höher ist als die Preisforderung), dann wird der Mittelwert der beiden Werte als Preis von beiden Seiten akzeptiert. Kreuzen sich die Gebote aber nicht, dann kommt das Geschäft nicht zustande. Dieses Verfahren kommt dem Interesse der potenziellen Käufer sehr nahe, die an den „wahren Wert“ einer Immobilie glauben und keinesfalls den Markt danach befragen möchten – es könnte ja Preistreiberei stattfinden. Nur leider kann man dieses Verfahren nur mit einem potenziellen Käufer durchführen, dann ist die Immobilie verkauft. Das will natürlich der Verkäufer nicht, denn er hat wohl mehrere Interessenten, sofern der Makler gute Arbeit geleistet hat.

Was aber passiert bei einer Auktion? Nun, bei einer Auktion wird der Bieter mit der höchsten Zahlungsbereitschaft ermittelt und er erhält die Immobilie zu einem Preis, der im Wesentlichen dem Indifferenzpreis des Bieters mit der zweithöchsten Zahlungsbereitschaft entspricht. Zum Beispiel bei einer „Englischen Auktion“ ist nämlich bei diesem Preis der vorletzte Bieter ausgestiegen. Damit ist der Teil des Kuchens, den der Gewinner der Auktion bekommt, aber ein völlig anderer als im Verdeckten Angebotstausch: In der Auktion erhält der Gewinner nur den Teil des Kuchens, den ihm „die Wettbewerber übrig lassen“. Liegt der Indifferenzpreis des zweitletzten Bieters nahe an dem des Gewinners, dann bleibt dem Gewinner nur die kleine Differenz der beiden Indifferenzpreise als sein Teil des Kuchens. Der ganze Rest des Kuchens geht an den Verkäufer. Das erklärt, warum es durchaus rational ist, reflexartig von einer Auktion Abstand zu nehmen, wenn man als Bieter auch seine Hälfte vom Kuchen haben möchte.

Mit dem folgenden Auktionsdesign lassen sich auch solche Bieter zur Teilnahme an einer Auktion bewegen, die eine Hälfte des Kuchens als ihren fairen Anteil betrachten: Wie im Verdeckten Angebotstausch notieren sowohl alle Kaufinteressenten als auch der Verkäufer ein Gebot. Alle Gebote werden gleichzeitig geöffnet und verglichen. Der Kaufinteressent mit dem höchsten Gebot erhält die Immobilie, sofern sein Gebot höher ist als die Preisforderung, die der Verkäufer notiert hat. Andernfalls wechselt die Immobilie nicht den Besitzer. Wenn das höchste Gebot über der Preisforderung liegt, dann wird als Preis für die Immobilie der Mittelwert dieses höchsten Gebots und der Preisforderung des Verkäufers definiert – genau wie im Verdeckten Angebotstausch. Wir nennen dieses Verfahren den Diskreten Angebotstausch.

Das Elegante am Diskreten Angebotstauschist, dass sich am Ende der Verkäufer und der Käufer den Kuchen tatsächlich zu gleichen Hälften teilen. Für den Veräußerer kann sich das natürlich extrem teuer anfühlen, wenn er a posteriori das Ergebnis mit dem möglichen Ergebnis einer Auktion vergleicht: Am Ende bezahlt er fast eine ganze Kuchenhälfte dafür, dass die Bieter an der Auktion überhaupt teilgenommen haben. Genau das aber ist das Faire daran: In einem Markt wie dem deutschen Immobilienmarkt der „scheuen Rehe“ hätte er ohne dies zu versprechen eben gar keine Auktion gemacht. Zusätzlich fühlt sich der Diskrete Angebotstauschfür den Laien nicht wie eine klassische „Auktion“ an, da es keine Komponente des gegenseitigen Überbietens hat – das reduziert die Eintrittsbarrieren für Bieter noch zusätzlich.

Die Erfahrung in der Praxis zeigt, dass der Verkäufer eine massive Hemmschwelle braucht dagegen, das Verfahren auszunutzen und selbst mit einem sehr hohen Indifferenzpreis zu spielen. Wenn er gewinnt, reduziert er damit den Kuchenanteil des Käufers, und wenn er verliert, kann er ja immer noch sein Objekt auf andere Art und Weise veräußern oder sogar mit einem der teilnehmenden Bieter in Nachverhandlungen treten. Genau das aber ist nicht Grundgedanke des Diskreten Angebotstauschs: Er funktioniert nur dann sinnvoll (d.h. ist nur dann glaubwürdig und attraktiv für Bieter), wenn auch der Veräußerer den Schmerz hat, mit einer zu hoch angesetzten Preisforderung zumindest die Kaufinteressenten – aus seiner Sicht Verkaufsoptionen– die in dieser Veranstaltung teilgenommen haben, zu „verbrennen“. Deshalb haben wir drei Maßnahmen entwickelt, die sich in der praktischen Umsetzung des Verfahrens als erfolgskritisch erwiesen haben:

  •  Aus Sicht der Bieter ist es unerlässlich, dem Verkäufer unmissverständlich anzukündigen, dass das eigene Kaufinteresse nach dem Diskreten Angebotstauschnicht weiter verfolgt wird, auch wenn das Objekt in der Veranstaltung nicht veräußert wurde (insbesondere haben sich ja in dem Diskreten Angebotstauschdie Gebote auch nicht gekreuzt).
  •  Aus Sicht des Maklers ist es sinnvoll, die eigene Provision vom Veräußerer auch dann einzufordern, wenn sich die Preise in dem Diskreten Angebotstauschnicht kreuzen und das Objekt nicht veräußert wird. Die Vereinbarung zwischen Makler und Verkäufer sollte vorsehen, dass der Makler dann seine Provision als Prozentsatz auf dem abgegebenen Gebot des Verkäufers erhält. Dies reduziert den Anreiz für den Veräußerer, mit einem höheren Gebot zu spielen.
  • Aus Sicht des Verkäufers schließlich ist es sinnvoll, sich auf einen solchen Prozess mit einem Makler nur dann einzulassen, wenn bereits Angebote von Kaufinteressenten in für ihn akzeptabler Höhe existieren. Dann ist das höchste dieser bereits vorliegenden Angebote seine „Rückfallposition“ und effektiv damit auch sein Indifferenzpreis. Ob er genau diesen dann auch als Preisforderung im Rahmen des Diskreten Angebotstauschsin einen geschlossenen Umschlag legt muss er mit sich selbst ausmachen.

Auch wenn der Diskrete Angebotstauschnicht ganz einfach zu verstehen ist und es teilweise durchaus mühsam ist, ihn sowohl Verkäufer als auch Kaufinteressenten zu erklären, besticht er am Ende doch durch seine Fairness für beide Seiten. Der Verkäufer hat alle Alternativen in die Preisfindung einbezogen und der Käufer weiß trotzdem, dass ihm „seine Hälfte des Kuchens“ nicht durch die Anwendung eines Versteigerungsverfahrens, das den Wettbewerb der Käufer ausnutzt, vom Brot genommen wurde.

Für den Makler schließlich ist die Anwendung des Diskreten Angebotstauschsein differenzierendes Argument bei der Akquise von Veräußerungsobjekten, für die er Exklusivität von den Verkäufern erhalten möchte.

[1]In der Spieltheorie-Literatur: „Harsanyis komprimiertes Nash-Zeuthen-Spiel“